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Rechtsanwalt Dr. Wambach
Dr. Wambach & Walter

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Landgericht aurich: 800.000 EUR Schmerzensgeld für 80 Jahre Leiden

Der durch seine Eltern vertretene minderjährige Kläger war als Kind durch einen Behandlungsfehler außerordentlich schwer geschädigt worden. Eine bakterielle Meningitis ist entgegen den fachärztlichen Standards behandelt und vor allem auch zu spät erkannt worden.

Der Junge hat außerordentlich viel Leid erfahren: beide Unterschenkel sind amputiert worden. Eine der Kniescheiben musste entfernt werden. Zahlreiche Hauttransplantationen mussten durchgeführt werden; auch Muskeln mussten transplantiert werden. Er hat sehr schwere Beeinträchtigungen im Gesicht, an den Wangen, an den Oberschenkeln, an den Armen. Der gesamte Körper ist von wulstigen Narben und Verwachsungen bedeckt. Der Junge leidet auch an Phantomschmerzen, Rückenschmerzen und Hüftschmerzen.

Zu den körperlichen Beeinträchtigungen kommen psychische Einbußen: er leidet an motorischer Unruhe, verminderter Ausdauer, reduzierte Frustrationstoleranz außerdem hat er das Selbstvertrauen eingebüßt.

Für diese Lebensbeeinträchtigungen hat das Gericht einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 800.000 € zugesprochen. Dieser höchste Schmerzensgeldbetrag resultiert auf folgender nachvollziehbarer Überlegung des Gerichts:
Das hohe Schmerzensgeld rechtfertigt sich daraus, dass der Kläger jeden Tag sein Schicksal vor Augen geführt bekommt. Ein ganzes Leben lang wird er in seiner Mobilität eingeschränkt sein. Das gilt selbst für den Fall, wenn es im Erwachsenenalter gelingen sollte, ihn mit Prothesen zu versorgen. Aber elbst in diesem Fall wäre er trotz geeigneter Hilfsmittel beim Fahrradfahren eingeschränkt, beim Autofahren, beim Treppensteigen und bei der Sportausübung. Sollte die Prothesenversorgung nicht gelingen, würden sich diese Lebensbeeinträchtigungen sich noch sehr viel intensiver auswirken.
Der Gedanke des Gerichts war nun folgender: zum Zeitpunkt des Behandlungsfehlers war der Kläger erst fünf Jahre alt. Das Gericht hat in die Schmerzensgeldbemessung die Lebenserwartung des Klägers einfließen lassen. Die hat es mit noch weiteren 80 Jahren geschätzt, was rechnerisch nicht der statistischen Lebenserwartung nach der Sterbegeldtabelle entspricht, jedoch eine absolut nachvollziehbare Schätzung ist, da die Lebenserwartung zukünftig steigen wird. Das Gericht hat angenommen dass der Kläger 85 Jahre alt werden wird, sodass noch 80 Jahre verbleiben. Diese 80 Jahre lang soll er jedes Jahr einen angemessenen Betrag erhalten. Diesen billigen (gerechten) Ausgleich hat das Gericht mit 10.000,- Euro veranschlagt. So ergibt sich rechnerisch die Summe von 800.000 €, die aber natürlich nicht als jährliche Schmerzensgeldrente zugesprochen worden ist, sondern als Schmerzensgeldkapital.

Der Betrag wirkt nur als Zahl ansehnlich. Rechnet man ihn auf den Tag um (die taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes zeigt plastisch den wirklichen Wert des Schmerzensgeldes), dann ergeben sich für 80 Jahre 29.200 Tage. Das bedeutet: pro Tag erhält der Geschädigte 27,39 €.

Das ist kein angemessener Betrag für diese immensen Lebensbeeinträchtigungen. Selbst ein täglicher Betrag von 50,- € böte keinen angemessenen Ausgleich. Dies wären 1.460.000 € und gleichzeitig ein Betrag der zu einem Aufschrei der deutschen Versicherungswirtschaft führen würde: „das Schmerzensgeld ist weit übersetzt und birgt eine unzumutbare Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft!“ Wenn man sich aber einmal in die Lage des Jungen hinein versetzt, mit welchen Beeinträchtigungen er heranwachsen muss (hier denke man nur einmal an die Pubertät) und mit welchen Beeinträchtigungen er alt werden wird, dann wird auch Folgendes klar: Menschen sind im Alter meist ohnehin beeinträchtigt. Wenn schon in der Jugend Hüftbeschwerden vorliegen und beide Unterschenkel amputiert sind, kann man sich vorstellen, dass im Alter alsbald Pflegebedürftigkeit vorliegen wird. Schon ein wenig Empathie würde ausreichen, um den zuletzt genannten Betrag nicht lächerlich zu finden. An Einfühlungsvermögen mangelt es jedoch in den allermeisten Fällen.
 

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