Der Kläger war am fraglichen Abend gegen Mitternacht erheblich angetrunken (mindetsnes 2,41 o/oo) nachdem er zunächst einen Weihnachtsmarkt und sodann eine Geststätte aufsuchte und in beiden Lokalitäten Alkohol zu sich nahm. In der Gaststätte wurde der Kläger gegenüber weiblichen Gästen zudringlich, weshalb er zum Verlassen der Gaststätte aufgefordert wurde. Dieser Aufforderung kam der Kläger jedoch nicht nach, sondern sprach wiederholt Beleidigungen aus, weshalb schließlich die Polizei gerufen wurde.
Auch die Polizei forderte den Kläger zum Verlassen der Gaststätte auf. Dabei kam es im Lokal zu weiteren Beschimpfungen der Beamten. Vor der Gaststätte kam es schließlich zu einem Handgemenge bei dem der Kläger versuchte, sich von den Polizisten zu lösen. Dabei schlug er um sich und beschimpfte die Polizisten weiter.
Um den Widerstand des Klägers nun endgültig zu brechen, versuchten die Polizisten ihm Handfesseln anzulegen. Dabei wurde der Kläger zu Boden gebracht und dadurch fixiert, dass sich ein Beamter auf den Rücken- bzw. Halsbereich des Klägers kniete. Die anschließende Unfähigkeit, seine Beine zu bewegen, führten die Polizeibeamten auf die grundsätzliche Unwilligkeit des Klägers zurück. Das Schmerzempfinden des Klägers war durch die erhebliche Alkoholisierung stark eingeschränkt.
Im Rahmen dieser gewaltsamen Festnahme - davon war das Gericht überzeugt - erlitt der Kläger schwerwiegende Verletzungen im Halsbereich (Luxation des 5. Halswirbelkörpers gegenüber dem 6. Halswirbelkörper) sowie Einblutungen im Augenbereich. Die Luxation im Halswirbelbereich erforderte eine sehr hohe Gewalteinwirkung. Diese sei mit der Belastung der Halswirbelsäule bei einem Verkehrsunfall mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 80 km/h zu vergleichen, so stellte der Sachverständige fest.
Das Oberlandesgericht Hamm ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Polizisten im Rahmen der Anwendung des unmittelbaren Zwangs den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachteten. Zwar waren die Beamten in der konkreten Situation berechtigt, körperliche Gewalt mit dem Ziel, die Gegenwehr des Betroffenen zu brechen, einzusetzen, jedoch wurde die Grenze des Erforderlichen überschritten. Die Polizisten konnten auch erkennen, dass diese Intensität der Gewaltanwendung zu hoch war, weshalb am fahrlässigen Verschulden der Polizeibeamten kein Zweifel besteht.
Der Kläger muss sich jedoch infolge seines renitenten und provokanten Verhaltens ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen. Das Gericht sah es deshalb als angemessen an, das beklagte Land zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 100.000,- EUR zu verurteilen.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 27.05.2009, Az.: 11 U 175/07
(siehe hierzu: https://www.schmerzensgeld.info/fallview.aspx?fall_id=a2a0c938-42c2-46ba-8731-8edce0dec5c2)