Mit dem Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld vom 22.07.2017 findet sich in § 844 Abs. 3 BGB erstmals eine gesetzliche Regelung, welche einen eigenen Schmerzensgeldanspruch für Angehörige vorsieht (BGBl. I 2017, Nr. 48, Seite 2421 ff.).
Der Gesetzeswortlaut des § 844 Abs. 3 ist wie folgt gefasst:
„(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.“
Für das Arzthaftungsrecht hat dies zur Folge, dass die Hinterbliebenen eines kausal durch einen Behandlungsfehler zu Tode gekommenen nahen Angehörigen für Ihre Trauer ein angemessenes Schmerzensgeld vom Schädiger (dem verantwortlichen Arzt) verlangen können.
Die Regelung war längst überfällig: Während in anderen Ländern eine entsprechende Regelung längst gesetzlich verankert ist, betritt der deutsche Gesetzgeber bei der Normierung eines Schmerzensgeldanspruchs für Hinterbliebene Neuland. Bisher hatten Angehörige nur dann einen Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn sie über die bloße Trauer hinaus, welcher Hinterbliebene im Todesfall eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind, eine Gesundheitsschädigung mit eigenem Krankheitswert im Sinne einer fassbar psychischen Beeinträchtigungen erlitten hatten. Die Rechtsprechung behandelte diese Fälle als sog. „Schockschäden“. Der Nachweis einer entsprechend schmerzensgeldauslösenden Gesundheitsschädigung war in der Praxis regelmäßig schwer zu führen.
Dagegen ist für die Entstehung des Anspruchs aus § 844 Abs. 3 BGB eine Gesundheitsverletzung nicht mehr notwendig. Nach der Gesetzesbegründung zu § 844 Abs. 3 BGB wird kein Mindestmaß an Leid mehr verlangt. Schon das persönliche Näheverhältnis indiziert das seelische Leid und ist ausreichend für die Entstehung des Anspruchs. Das Hinterbliebenengeld ist als eigener Anspruch eines bloß mittelbar Betroffenen zu sehen, welcher keine eigene Rechtsgutsverletzung erlitten haben muss
Bei der Höhe der der angemessenen Entschädigung für das erlittene Leid hat sich der Gesetzgeber gegen eine festgelegte Höhe eines bestimmten Betrages entschieden. Damit soll eine Einzelfallgerechtigkeit gewährleistet bleiben. Die Bestimmung ist somit weitestgehend der Rechtsprechung überlassen und wird sich an der „Schockschadenrechtsprechung“ orientieren. Der Ansatz von € 5.000,00 - € 15.000,00 ist realistisch (vgl. beispielshaft OLG Frankfurt Urteil vom 19.7.2012 – 1 U 32/12 = NJW-RR 2013, 140).
Angesichts der Tatsache, dass nach dem AOK Krankenhausreport 2014 jährlich ca. 19.000 Patienten durch vermeidbare Behandlungsfehler sterben, ist die gesetzliche Einführung eines Schmerzensgeldes für Hinterbliebene zu befürworten.