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Rechtsanwältin Bals
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Erste Hilfe bei Herzstillstand

Das Problem
 

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2007 – 8 U 27/07) hat entschieden, dass ein Arzt, der überraschend mit einer Notsituation konfrontiert wird, unabhängig von seiner beruflichen Qualifikation wie jeder beliebige Dritte Hilfe leisten muss. Anders als ein „professioneller“ Notarzt, der für Notfalleinsätze ausgebildet ist, kann der „zufällige“ ärztliche Nothelfer abhängig von seinen persönlichen Fähigkeiten den medizinischen Standard aber nicht immer gewährleisten. Die speziellen Beweislastregeln des Arzthaftungsrechts sollen dann nicht anwendbar sein.

Der Fall
 

Am 23.5.2002 kollabierte der schwer herzkranke Ehemann der Klägerin auf der Straße. Einige Passanten kümmerten sich um ihn und verständigten den Notarzt. Eine Allgemeinärztin, die unter ihrer Wohnanschrift in privater Praxis noch einige Patienten auf dem Gebiet der Bioresonanztherapie betreute, wurde hinzugezogen. Die Ärztin fühlte den Puls des Patienten und äußerte sinngemäß: „Der Mann ist schon tot.“ Daraufhin verließ sie die Unglücksstelle ein paar Minuten vor Eintreffen des Notarztes. Der Notarzt stellte einen allgemeinen Herz- und Kreislaufstillstand fest und führte erfolgreich  Reanimationsmaßnahmen durch. Herr A. wurde in ein Krankenhaus gebracht. Er verstarb nach mehreren stationären Aufenthalten am 29.11.2002, also sechs Monate nach dem Kollaps, an den Folgen einer schweren dilatativen Kardiomyopathie (Herzinsuffizienz).

Die Entscheidung des Gerichts

 

Das Landgericht Kleve hat die Klage der Ehefrau auf Erstattung der Beerdigungskosten und auf Ausgleich des Unterhaltsschadens gegen die Allgemeinärztin abgewiesen. Die Berufung gegen diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen.

Zwar haben die gerichtlichen Sachverständigen festgestellt, dass die Beklagte bei einem Herzstillstand zu Reanimationsmaßnahmen verpflichtet war. Auch hätte sie die Unfallstelle auf keinen Fall vor dem Eintreffen des Notarztes verlassen dürfen.

Durch die Sachverständigen wurde allerdings auch festgestellt, dass eine sofortige Reanimation den späteren Krankheitsverlauf aufgrund der schweren Vorerkrankung des Herrn A. wahrscheinlich nicht positiv beeinflusst hätte. Für den Prozesserfolg kam es entscheidend auf die folgende Frage an: Wer muss beweisen, dass Herr A. bei sofortiger Reanimation durch die Allgemeinärztin wenige Monate später nicht verstorben wäre? Wäre der weitere Krankheitsverlauf bei sofortiger Reanimation günstiger verlaufen? Diese Frage ließ sich im Prozess nicht eindeutig beantworten. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsprechung zugunsten der Patientenseite Beweiserleichterungen an, wenn die ärztlichen Versäumnisse aus medizinischer Sicht
schwerwiegend sind.

Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall eine Haftungsverschärfung für die Ärztin in Form einer Beweislastumkehr abgelehnt. Trotz der im Prozess festgestellten groben ärztlichen Versäumnisse im Rahmen der Ersten Hilfe hat das Berufungsgericht der Beklagten eine ärztliche Verantwortung für den späteren Herztod des Patienten nicht aufgebürdet. Mit folgender Begründung: Der überraschend an eine Unglücksstelle gerufene Arzt verfügt je nach der Art seiner Berufsausübung, die sich auf ganz spezielle Verfahren konzentrieren kann, trotz einer einmal absolvierten Ausbildung möglicherweise nicht über die zur Beherrschung der aktuellen Notsituation erforderlichen Kenntnisse. Oder er ist aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage, diese Kenntnisse richtig anzuwenden. Man denke z. B. an einen Zahnarzt, der mit einem akuten Notfall im Flugzeug konfrontiert wird und überfordert sein dürfte. Die Beklagte sei auf dem Gebiet der Notfallmedizin nicht speziell geschult gewesen. Weiter hat das Berufungsgericht in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Ärztin nicht aufgrund eines von ihr abgeschlossenen Behandlungsvertrages tätig geworden sei. Sie hatte aber nicht die Wahl, die Behandlung aufgrund mangelnder medizinischer Kenntnisse abzulehnen. Sie durfte sich in einer Notsituation – wie jeder Bürger – der Hilfeleistung nicht entziehen. Aufgrund dieser Zwangslage hat das Oberlandesgericht die Ärztin wie einen gewöhnlichen Bürger behandelt und die speziellen Beweislastregeln des Arzthaftungsrechts nicht zur Anwendung gebracht.

  mkv Apotheken-Kombi 2008

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